EQS-WpÜG: Stichting Tranquilitati / Befreiung Veröffentlichung des Bescheids der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vom 14.04.2022 über eine Befreiung nach § 37 WpÜG i.V.m. § 9 Satz 1 Nr. 2 WpÜG-AngebVO von den Verpflichtungen nach § 35 Abs.1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 WpÜG in Bezug auf die Fielmann Aktiengesellschaft, Hamburg (ISIN DE0005772206)
Der Stichting Tranquilitati („Antragstellerin“), Dr. Poelsstraat 63c, 7572 ZV Oldenzaal, Niederlande, wurde mit Bescheid vom 14.04.2022 von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht („BaFin“) eine Befreiung nach § 37 WpÜG i.V.m. § 9 Satz 1 Nr. 2 WpÜG-AngebVO („Befreiung“) mit folgendem Tenor erteilt:
Die Antragstellerin wird gemäß § 37 WpÜG i.V.m. § 9 Satz 1 Nr. 2 WpÜG-AgebVO für den Fall, dass sie aufgrund ihres Beitritts zum Poolvertrag vom 04.04.2013 (wie nachstehend definiert) in Erfüllung der Auflage zur Zustiftungs- und Abtretungsvereinbarung über die schenkweise Übertragung von 8.899.615 Aktien der Fielmann Aktiengesellschaft, Hamburg von Herrn Prof. Dr. Günther Fielmann, Lütjensee, auf die Antragstellerin die Kontrolle über die Fielmann Aktiengesellschaft, Hamburg, erlangt, von den Pflichten nach § 35 Abs.1 Satz 1 WpÜG die Kontrollerlangung zu veröffentlichen, nach § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG der BaFin eine Angebotsunterlage zu übermitteln und nach § 35 Abs. 2 Satz 1, § 14 Abs. 2 Satz 1 WpÜG ein Pflichtangebot zu veröffentlichen befreit.
Nachstehend werden die wesentlichen Gründe für die Befreiung dargestellt:
A.
Zielgesellschaft ist die Fielmann Aktiengesellschaft mit Sitz in Hamburg, eingetragen im Handelsregister des Amtsgericht Hamburg unter HRB 56098 ("Zielgesellschaft“). Das Grundkapital der Zielgesellschaft beträgt EUR 84.000.000,00 und ist in 84.000.000 auf den lnhaber lautende Stückaktien, jeweils mit einem rechnerischen Anteil am Grundkapital von EUR 1,00 eingeteilt. Die Aktien der Zielgesellschaft sind unter der ISIN DE0005772206 in Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hannover, Hamburg, München und Stuttgart zum Handel im Regulierten Markt zugelassen.
Die Antragstellerin ist eine Stiftung niederländischen Rechts mit dem Ort der Geschäftsleitung in Hamburg, Deutschland und Satzungssitz in Odenzaal, Niederlande. Stifter ist Herr Prof. Dr. Günther Fielmann, wohnhaft in Lütjensee („Prof. Dr. Günther Fielmann“).
Stiftungszweck ist nach der Stiftungssatzung u.a. die finanzielle Unterstützung für die Gesundheit, die Ausbildung und die gewohnte Lebensweise der Nachkommen von Prof. Dr. Günther Fielmann („Destinatäre“).
Organe der Stiftung sind der Aufsichtsrat (raad van commissarissen) und der Vorstand (bestuur).
Ausweislich der Stiftungssatzung wird die Anzahl und Person der Vorstandsmitglieder durch den Aufsichtsrat festgelegt. Zum Zeitpunkt der Antragstellung wurde die Funktion des Vorstands von der Tranquilitati B.V., einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Besloten vennootschap met beperkte aansprakelijkheid) niederländischen Rechts mit Sitz in Oldenzaal, Niederlande wahrgenommen, deren Gesellschafter zu gleichen Teilen der Sohn von Prof Dr. Günther Fielmann, Herr Marc Fielmann und die Tochter von Prof. Dr. Günther Fielmann, Frau Sophie Fielmann sind. Der Aufsichtsrat besteht aus zwei Mitgliedern. Diese werden durch die Fielmann Familienstiftung, eine Stiftung des bürgerlichen Rechts mit Sitz in Hamburg bestellt. Zum Zeitpunkt der Antragstellung hält die Antragstellerin keine Aktien der Zielgesellschaft.
Zwischen der KORVA SE, einer Europäischen Aktiengesellschaft (Societas Europaea) mit Sitz in Lütjensee, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Berlin unter H RB 141925 („KORVA SE“), Prof. Dr. Günther Fielmann, Marc Fielmann und Sophie Fielmann (zusammen „Poolmitglieder“) besteht eine Poolvereinbarung („Poolvertrag“). Nach den Regelungen des Poolvertrags sind die Poolmitglieder verpflichtet, ihre Stimmrechte gemäß den in Versammlungen der Poolmitglieder („Poolversammlung“) gefassten Beschlüssen einheitlich auszuüben. Ausweislich des Poolvertrags unterliegen diesem sämtliche Aktien der Zielgesellschaft, die die Poolmitglieder im Zeitpunkt des Abschlusses des Poolvertrags oder künftig halten (nachfolgend „poolgebundene Aktien“).
Prof. Dr. Günther Fielmann beabsichtigt, 8.899.615 Aktien der Zielgesellschaft, entsprechend 10,59% des Grundkapitals und der Stimmrechte, im Rahmen eines Stiftungsgeschäfts der Antragstellerin zu schenken und auf diese zu übertragen. Aufschiebende Bedingung der schenkweisen Übertragung wird ausweislich der Zustiftungs- und Abtretungsvereinbarung sein, dass die Antragstellerin mit den zugestifteten Aktien der Zielgesellschaft dem Poolvertrag beitritt.
B.
Der Antrag ist zulässig und begründet.
Der Antrag ist zulässig.
Die Antragstellerin hat dem Schriftformerfordernis der §§ 37 Abs. 1, 45 Satz 1 WpÜG entsprochen.
Der Zulässigkeit des Antrags steht nicht entgegen, dass er schon vor Erlangung der Kontrolle über die Zielgesellschaft gestellt worden ist. § 8 Satz 2 WpÜG-AngebVO lässt dies ausdrücklich zu. Das erforderliche Sachbescheidungsinteresse liegt in diesem Fall aber nur vor, wenn die Kontrollerlangung zum Zeitpunkt der Antragstellung vorhersehbar (vgl. Begr. RegE, BT-Drucks, 14/7034 v. 05.10.2001, S. 81), d.h. mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (Diekmann, in: Handbuch Übernahmerecht nach dem WpüG, § 12 Rn. 137). Dies ist vorliegend der Fall.
Die Antragstellerin wird infolge der geplanten schenkungsweisen Übertragung von 8.899.615 Aktien der Zielgesellschaft, entsprechend 10,59% des Grundkapitals und der Stimmrechte, auf die Antragstellerin und ihres Beitritts zum Poolvertrag die Kontrolle an der Zielgesellschaft im Sinne von § 29 Abs. 2 WpÜG erlangen, da ihr ein Stimmrechtsanteil von rd. 72,61% aus insgesamt 60.988.391 Aktien der Zielgesellschaft zustehen wird.
Zum einen wird die Antragstellerin durch den Vollzug der Zustiftungs- und Abtretungsvereinbarung, die die Antragstellerin beabsichtigt, mit Prof. Dr. Günther Fielmann zu schließen, 8.899.615 Aktien der Zielgesellschaft, entsprechend rund 10,59 % des Grundkapitals und der Stimmrechte, erwerben. Zum anderen werden der Antragstellerin mit ihrem Beitritt zum Poolvertrag, der aufschiebende Bedingung zur Zustiftungs- und Abtretungsvereinbarung sein wird, die Stimmrechte aus den weiteren 52.088.776 poolgebundenen Aktien der Zielgesellschaft, entsprechend rd. 62,01% des Grundkapitals und der Stimmrechte, gemäß § 30 Abs. 2 WpÜG zuzurechnen sein. Denn ab diesem Zeitpunkt unterliegt die Antragstellerin den Bindungen des Poolvertrags, insbesondere der Verpflichtung, die ihr zustehenden poolgebundenen Aktien der Zielgesellschaft nur im Einklang mit den Beschlüssen der Poolversammlung auszuüben. Damit ist sie Beteiligte einer Vereinbarung über die Verständigung zur Ausübung von Stimmrechten aus Aktien der Zielgesellschaft im Sinne von § 30 Abs. 2 WpÜG.
Der Antrag ist auch begründet. Die Voraussetzungen für eine Befreiung der Antragstellerin nach § 37 Abs. 1 WpüG i.V.m. § 9 Satz 1 Nr. 2 WpüG-AngebVO liegen vor, und die Interessen der Antragstellerin überwiegen das Interesse der außenstehenden Aktionäre der Zielgesellschaft an einem öffentlichen Pflichtangebot.
Die Antragstellerin wird infolge des Vollzugs der Zustiftungs- und Abtretungsvereinbarung und ihres Beitritts zum Poolvertrag über einen Stimmrechtsanteil von 72,61% aus insgesamt 60.988.361 Aktien der Zielgesellschaft verfügen (s. vorstehend B.I.). Hierdurch erlangt sie die Kontrolle über die Zielgesellschaft im Sinne von § 29 Abs. 2 WpüG.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Befreiungstatbestands des § 9 Satz 1 Nr. 2 WpÜG-AngebVO sind erfüllt, denn die Antragstellerin wird die Kontrolle an der Zielgesellschaft im sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Schenkung von einem Schenker erlangen, mit dem sie nicht im Sinne des § 36 Nr. 1 WpÜG verwandt ist.
Die Übertragung von 8.899.615 Aktien der Zielgesellschaft auf die Antragstellerin wird auf der Grundlage eines Schenkungsvertrags im Sinne der §§ 516 ff. BGB erfolgen. Die Schenkung erfüllt die an eine Schenkung im Sinne von § 9 Satz 1 Nr. 2 WpÜG-AngebVO zu stellenden Voraussetzungen. Denn für eine solche ist es nicht erforderlich, dass der Bieter die Kontrolle unmittelbar (und allein) aufgrund der Schenkung erlangt; ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang ist ausreichend. Die schenkweise Übertragung der Aktien der Zielgesellschaft steht unter der aufschiebenden Bedingung, dass die Antragstellerin auf den Zeitpunkt des Erwerbs der Aktien der Zielgesellschaft dem Poolvertrag beitritt. Die Schenkung und der Eintritt zum Poolvertrag werden folglich zeitgleich wirksam.
Die Schenkung von Prof. Dr. Günther Fielmann an die Antragstellerin ist als Schenkung zwischen Parteien anzusehen, die nicht verwandt im Sinne des § 36 Nr.1 WpÜG sind. § 36 Nr. 1 WpÜG erfasst Schenkungen unter Ehegatten, Lebenspartnern oder Verwandten in gerader Linie und bis zum dritten Grade. § 9 Satz 1 Nr. 2 WpÜG-AngebVO erweitert nicht nur diesen Kreis der Verwandtschaftsverhältnisse, sondern lässt es auch genügen, wenn zwischen Schenker und Bieter überhaupt kein Verwandtschaftsverhältnis besteht (BT-Drucks. 14/7034 vom 05.10.2001, S.81). Dementsprechend können auch Schenkungen an Stiftungen oder andere juristische Personen von § 9 Satz 1 Nr. 2 WpüG-AngebVO erfasst sein (Seiler, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpüG, § 9 WpÜG-AngebVO, Rn. 15). Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Übertragung auf eine juristische Person oder Stiftung erfolgt, an der Verwandte, verdiente Mitarbeiter oder sonst in einem besonderen Näheverhältnis zum Schenker stehende natürliche Personen Anteile halten oder aus der sie Zuwendungen erhalten und die Übertragung so der nicht nur kurzfristigen Fortführung familiär geprägter Unternehmen dient. Denn ausweislich der Gesetzesbegründung soll durch § 9 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 WpüG-AngebotsVO „…insbesondere die Nachfolge bei kleinen und mittleren Unternehmen ohne Pflichtangebot ermöglicht werden, bei denen eine Nachfolgelösung in der Familie nicht in Betracht kommt, beispielsweise aber geeignete Mitarbeiter zur Verfügung stehen“ (vgl. BT-Drucks. 14/7034 vom 05.10.2001, S. 81).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend durch die Gestaltung des Stiftungszwecks der Antragstellerin und die Bestimmung des Kreises der durch die Antragstellerin Begünstigten erfüllt. Durch diese wird eine adäquate Nachfolgeregelung im fortwährenden Bewusstsein der Prägung der Zielgesellschaft als Familiengesellschaft geschaffen.
Die Erteilung der Befreiung liegt im Ermessen der BaFin.
Nach Abwägung der Interessen der Antragstellerin einerseits und der außenstehenden Aktionäre der Zielgesellschaft andererseits ist eine Befreiung von den Pflichten nach § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 WpÜG gerechtfertigt. Das Interesse der Antragstellerin, nicht den finanziellen Belastungen eines Pflichtangebots ausgesetzt zu sein, überwiegt das Interesse der außenstehenden Aktionäre an einem Pflichtangebot. Die Veränderung in der Beteiligungsstruktur der Zielgesellschaft rechtfertigt für die übrigen Aktionäre keine außerordentliche Desinvestitionsentscheidung. Die schenkweise Übertragung der Aktien auf die Antragstellerin und die durch das abgestimmte Verhalten entstehende Kontrollposition der Antragstellerin dient dem Zweck, die bisher familiär geprägte Beteiligungsstruktur der Zielgesellschaft durch die neue Struktur in gewisser Weise lediglich fortzuführen. Eine materielle Veränderung in der Kontrollstruktur, die ein Festhalten an den Verpflichtungen im Sinne des § 35 WpüG rechtfertigen oder sogar verlangen würde, ist gerade nicht zu erkennen.
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